Der Klassiker unter den Trotzanfällen: Kinder mit 18 Monaten können sich bereits in ein Spiel hineinfallen lassen. D. h., sie lenken ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Spielzeug und sind völlig versunken in ihrer eigenen Welt. Grundsätzlich ist das wünschenswert und schön anzusehen, wie dein Kind mit seiner Puppe / seinem Stofftier spielt oder mit den Legosteinen einen Turm baut. Aber morgens, oder wenn du einen Termin oder Verabredung hast, musst du dein Kind unterbrechen. Was kannst du tun?

Gerade bei vorhersehbaren Situationen ist es wichtig, dass du die Zeit für dich nutzt. Obwohl dein Kind noch keine Ahnung hat, was Zeit überhaupt ist, ist es sehr wichtig, dass du ihm genügend Zeit gibst, damit es sich auf das nächste Ereignis einstellen kann. Ein Beispiel aus meiner Praxis:

Morgens bin ich nach dem Frühstück mit meinen Tageskindern immer gerne nach draußen gegangen. In meiner Umgebung gibt es viele, leicht erreichbare Spielplätze und Ausflugsmöglichkeiten. Damit wir genug Zeit an der frischen Luft hatten, war es wichtig, einen gewissen Zeitrahmen einzuhalten. Nur so konnten wir pünktlich zum Mittagessen wieder zurück sein. Unser Tagesablauf war durchorganisiert.

Als Erstes musste ich das Frühstück wegräumen, kurz sauber machen und die Kinder wickeln und anziehen. Dieser Ablauf war ein festes Ritual bei uns. Aber ich konnte ja nicht 5 Kinder gleichzeitig anziehen. Diejenigen, die zuerst angezogen waren, konnten noch spielen, bis die letzten fertig waren. Waren alle angezogen, rief ich fröhlich: “Bim Bam Boo-Abflug!” Das war für alle Kinder das Signal, das Spielen zu beenden und zur Tür zu kommen. Für alle? Nein! Denn wenn ein Kind gerade mitten in der Trotzphase war, gab es auch schon mal Diskussionen.

Vielleicht war dieses eine Kind gerade damit beschäftigt, einen Turm zu bauen oder zu schaukeln. Es wollte jetzt nicht raus gehen, wo es erst mal im Krippenwagen sitzen musste, bis wir den Spielplatz erreichten. Alle anderen Kinder warteten bereits an der Tür, um ihre Schuhe anzuziehen.

Um auch das “Trotzkind” von seinen Spiel weg zu bekommen, musste ich den Konflikt auf sanfte Weise auflösen. Dazu ist es wichtig zu wissen, wie sich die Situation aus der Sicht des Kindes darstellt.

Es hatte in diesem Moment gar nicht mehr daran gedacht, das Haus zu verlassen. In seinem Bewusstsein gibt es nur hier und jetzt. Obwohl die Ausflüge zu unserem normalen Tagesablauf gehörten und wir beim Frühstück gemeinsam überlegt hatten, was wir heute Vormittag machen werden, kommt es dem Kind in dem Moment so vor, als ob es völlig spontan wäre.

Sein Es-Bewusstsein hat das Ziel, sich weiter mit dem Spielzeug zu beschäftigen. Etwas anderes ist für das Kind gerade nicht wichtig. Grundsätzlich ist das ganz im Sinne des Über-Ichs, denn Spielzeug ist zum Spielen da. Da das Kind noch nicht zwischen Vormittag und Nachmittag unterscheidet, ist es völlig instinktgesteuert. Meine Aufforderung, jetzt zur Tür zu kommen und das Haus zu verlassen, scheint dem Kind im Moment also völlig absurd.

Berücksichtige ich diese Sichtweise, liegt die Lösung des Problems auf der Hand: Ich muss frühzeitig die Aufmerksamkeit des Kindes darauf lenken, dass wir gleich rausgehen. Wichtig ist, dass ich die Aufmerksamkeit des Kindes auf mich ziehe, auch wenn ich mich gerade nicht mit ihm beschäftige, und ihm damit Zeit verschaffe. Das erreiche wie folgt:

  • Wenn ich weiß, dass das Kind gerade in der Trotzphase steckt, sage ich ihm direkt nach dem Frühstück, was als Nächstes passieren wird. In unserem Beispiel würde ich dem Kind sagen: „Ich ziehe zuerst die anderen Kinder an. Du bist nach Anton dran. So lange kannst du spielen. Ich rufe dich, wenn du dran bist”. Damit hat das Kind einen überschaubaren Ablauf. Sobald ich Anton zum Anziehen rufe (der Name ist erfunden), sage ich dem Trotzkind Bescheid, dass es gleich danach zum Anziehen kommen soll. Somit rufe ich dem Kind noch einmal ins Bewusstsein, dass es gleich sein Spiel beenden muss. Es kann sich jetzt nicht mehr so tief in sein Spiel vertiefen, weil es weiß, dass gleich etwas anderes passiert. Dabei ist es unbedingt wichtig, dass du die Reihenfolge einhältst, und dich nicht auf Diskussionen einlässt. Wenn sich das Kind anziehen lassen soll, ist das alternativlos. Nachdem Anton angezogen ist, rufe ich das Trotzkind. Es soll nun sein Spiel selbstständig beenden und seine Aufmerksamkeit dem Anziehen widmen.

Auf diese Weise gebe ich dem Kind die Zeit, die es braucht, um das Spielzeug zur Seite zu legen oder das Schaukeln zu beenden. Es kann sein, dass es nicht sofort alles stehen und liegen lässt. Dann bleibe ich ruhig, stelle oder setze mich neben das Trotzkind und sage ihm freundlich, dass es sich nun anziehen lassen soll. Vielleicht überlegen wir, wo wir das Spielzeug hinstellen, damit es nachher an seinem Platz ist. Vielleicht lasse ich das Kind noch drei Mal schaukeln, bevor es aus der Schaukel klettert (ein 24 Monate altes Kind kann schon bis drei zählen). Ich biete ihm immer verstehbare Lösungen an. Danach soll es (mit mir zusammen oder allein) in den Flur gehen, damit ich es anziehen kann. Direkt im Anschluss gehen wir nach draußen. Jetzt hat das Kind das Gefühl, an der Entscheidung beteiligt gewesen zu sein. Es fühlt sich nicht übergangen oder unterdrückt und hatte genug Zeit, sich auf die Situation einzustellen. Dadurch, dass wir sofort das Haus verlassen, wenn alle angezogen sind, kann es nicht mehr abgelenkt werden.

  • Manchmal war mir gar nicht bewusst, dass bei diesem Kind die Trotzphase bereits begonnen hatte; oder sie war nicht so stark ausgeprägt. Die Verweigerung, jetzt raus zu gehen, kommt also überraschend für mich. So konnte es passieren, dass alle 5 Kleinkindern angezogen dasitzen. Vier warten brav, dass ich endlich die Tür öffne damit sie rauskönnen, aber eines weigert sich. Auch dabei ist es wichtig, dem Kind genügend Zeit zu verschaffen, damit es sich selbstständig zum Rausgehen entscheiden kann.

Ich setze oder stelle mich wieder neben das Kind und bitte es, sein Spiel zu unterbrechen, damit wir raus gehen können. Dabei betone ich, dass alle anderen schon fertig sind und warten. Im Normalfall wird das Kind sich weigern. In diesem Fall muss ich ihm etwas anbieten, dass sein Interesse weckt. Ich muss überlegt vorgehen, was ich dem Kind anbiete, denn das Belohnungssystem wirkt nur kurzfristig. Wenn ich es mir zur Gewohnheit mache, das Kind immer mit etwas anderem zu locken, werde ich schnell an das Ende meiner Möglichkeiten kommen. Hier kannst du mit dem Ehrgeiz des Kindes arbeiten, indem du ihm kleine Aufgaben gibst.

Die Trotzphase wird auch Autonomiephase genannt, weil das Kind selbstständiger werden möchte. Es möchte Aufgaben übernehmen, die wichtig für die Gemeinschaft sind. Wenn ich dem Kind eine Aufgabe übertrage, die es gerne macht, und die wichtig für alle ist, schenkt es mir seine volle Aufmerksamkeit. Jetzt können wir beide gemeinsam nach einer Lösung suchen, wie wir das Spiel beenden und auf den Spielplatz gehen können.

Egal, wo du mit deinem Kind hinmöchtest. Es gibt immer etwas, das ihr mitnehmen müsst, dass ihr vorher erledigen müsst, was zu kontrollieren ist oder worauf ihr generell achten müsst. Für uns sind es nur Kleinigkeiten, aber für dein Kind ist es etwas Besonderes.

In unserem Beispiel könnte ich dem Kind z. B. anbieten, die Tasche mit dem Picknick zu tragen; oder darauf zu achten, dass jedes Kind seine eigenen Schuhe hat, damit ich sie ihm anziehen kann; oder das überall das Licht aus ist, bevor wir gehen. Irgendeine Kleinigkeit, die zur festen Aufgabe werden kann.

Diese Aufgaben können später zu einem Ritual werden, das vor dem Verlassen des Hauses wichtig ist. Gerade das Licht ausmachen ist für ein 2-jähriges Kind eine hervorragende Aufgabe. Jetzt kann es sich schon vor dem Anziehen damit beschäftigen, dass wir gleich nach draußen gehen. Es gibt noch viele andere Kleinigkeiten, die ein Kleinkind gut übernehmen kann. Orientiere dich am besten an seinen Vorlieben.

Mit dieser Vorgehensweise gibst du dem Kind genug Zeit, die Differenz zwischen seinem eigenen Wunsch / Bedürfnis und dem, was du sagst, auf seine eigene Weise auszugleichen. Es wird in seinem Ich-Bewusstsein gestärkt und erfährt ein positives Miteinander.

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